Jugend Trendmonitor 2024

Österreichs Jugend zwischen Leistungsbereitschaft, Politikverdrossenheit und Rechtsruck im Super-Wahljahr

Die elfte Auflage des Jugend Trend Monitors von DocLX und Marketagent befragt junge Menschen zu Zukunftsaussichten, Pensionssystem, Wahlen, Politik und Fast Fashion.

Bereits zum elften Mal befragen Marketagent und DocLX im Jugend Trend Monitor junge Österreicherinnen und Österreicher im Alter zwischen 14 und 29 Jahren. Für die aktuelle repräsentative Studie wurden 2.192 Teilnehmer zwischen Ende April und Mitte Mai 2024 befragt.

„Trotz der Herausforderungen der letzten Jahre hat die ‚Generation Dauerkrise‘ ihren Optimismus nicht verloren und blickt überwiegend positiv in die Zukunft. Bildung, Beruf und finanzielle Unabhängigkeit sind wichtig. Trotz Politikverdrossenheit planen die jungen Österreicherinnen und Österreicher bei den bevorstehenden Wahlen ihre Stimme abzugeben“, fasst Marketagent-Geschäftsführer Thomas Schwabl die Ergebnisse zusammen.

„Im Hinblick auf die EU-Wahl haben junge Menschen klare Forderungen an die Politik, die sich für das Gesundheits- und Sozialwesen und Frieden einsetzen und Lösungen für die Migration schaffen soll. Die konkreten Probleme der gesamten Gesellschaft machen auch vor jungen Menschen nicht Halt und bewegen sie mehr als Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Fake News und Deep Fakes werden nicht nur im Wahlkampf als Problem erkannt, sondern gefährden die Gesellschaft, Demokratie und den Frieden“, sagt DocLX-Mastermind Alexander Knechtsberger.

Positiver Ausblick

Die Stimmung unter den jungen Menschen in Österreich ist trotz multipler Krisen überwiegend optimistisch. Hinsichtlich des eigenen Privatlebens haben 77 Prozent positive oder sehr positive Erwartungen. Auch der beruflichen Zukunft sehen 71 Prozent positiv entgegen und 61 Prozent erwarten sich eine gute oder sehr gute finanzielle Situation in ihrem Leben, wobei Männer etwas hoffnungsvoller in die nächsten Jahre blicken als Frauen. Mit steigendendem Bildungsniveau nimmt der Optimismus zu. Im Vergleich zum Mai 2012 hat sich die Erwartungshaltung jedoch deutlich reduziert. Trotzdem ist die Hälfte der Befragten überzeugt, dass es ihr besser als noch der Elterngeneration gehen wird. Nur 14 Prozent fürchten, dass sich die Lebensumstände im Vergleich verschlechtern werden.

Ausgeprägter Leistungswille

Finanzielle Unabhängigkeit ist 85 Prozent der jungen Menschen wichtig und 81 Prozent wünschen sich einen Job. 80 Prozent möchten etwas aus sich machen und für 78 Prozent hat Spaß eine große Bedeutung in ihrem Leben. 76 Prozent der jungen Österreicherinnen und Österreicher ist eine gute Ausbildung wichtig, 75 Prozent möchten sich einmal viel leisten können und 65 Prozent legen großen Wert auf die berufliche Karriere.

Multiple Krisen hinterlassen ihre Spuren und Wohlstand scheint unerreichbar

Mehr als die Hälfte (54 Prozent) der jungen Österreicherinnen und Österreicher nehmen den Einfluss der multiplen Krisen der letzten Jahre auf ihre persönliche Zukunft wahr, wobei Frauen sorgenvoller als Männer sind. Die fünf größten Sorgen der jungen Menschen sind der Krieg in Europa, der Tod oder die Erkrankung von Familienmitgliedern oder Freunden, der Klimawandel und die schlechte Wirtschaftslage.

Zwei Drittel meinen, dass es immer schwieriger werde, sich Wohlstand aufzubauen, und sechs von zehn jungen Menschen denken bereits jetzt an ihre finanzielle Absicherung im Alter. 60 Prozent fürchten, die Fehler vorangegangener Generationen ausbaden zu müssen und mehr als die Hälfte erachtet das eigene Leben für unsicherer als jenes der Elterngeneration.

Hoffnung auf Pension ist trotz Wirtschaftslage aufrecht

Mehr als die Hälfte (54 Prozent) findet das auf dem Generationenvertrag basierende Pensionssystem fair, wobei die Zustimmung unter jungen Männern höher ausfällt. Nur jeder Zehnte kann dem Generationenvertrag nichts abgewinnen. Knapp 80 Prozent vertrauen darauf, nach dem Berufsleben eine gesetzliche Pension zu erhalten. 20 Prozent denken, dass die gesetzliche Pension ausreichend sein wird, während knapp 60 Prozent nicht annehmen, dass sie damit über die Runden kommen werden. 22 Prozent vertrauen nicht mehr in das aktuelle Pensionssystem und gehen nicht davon aus, jemals von einer gesetzlichen Pension profitieren zu können.


Politikverdrossenheit und Vertrauensverlust

Während Musik zwei Drittel der jungen Menschen interessiert, sich 53 Prozent für Sport begeistern können und knapp die Hälfte für Technik offen ist, äußert nur ein gutes Drittel der Befragten Interesse an Politik (34 Prozent). Umweltschutz und Nachhaltigkeit (45 Prozent), Mode sowie Kultur (jeweils 41 Prozent) interessieren junge Österreicherinnen und Österreicher mehr als das politische Geschehen. Entsprechend gering ist auch das Vertrauen in die österreichische Politik und Parteienlandschaft, das nur mehr 16 Prozent der 14- bis 29-Jährigen bekunden. Zum Vergleich: Der Europäischen Union vertraut ein gutes Drittel (35 Prozent). Deutlich höher ist das Vertrauen gegenüber staatlichen Institutionen wie Polizei (56 Prozent) oder Justiz (53 Prozent) ausgeprägt. Auch dem Banken- und Finanzsystem (38 Prozent) und der Kirche (19 Prozent) wird mehr Vertrauen als dem heimischen Politsystem geschenkt. Im Vergleich mit der Erhebung im Jahr 2012 ist das Vertrauen in die Institutionen jedoch gewachsen.

Knappe zwei Drittel tauschen sich regelmäßig mit Freunden über Politik oder politische Themen aus. Nur 14 Prozent klammern das politische Geschehen gänzlich aus ihrer Kommunikation aus.

27 Prozent zeigen sich mit dem Zustand der Demokratie in Österreich zufrieden und etwa gleich viele sind gegenteiliger Meinung (26 Prozent). 42 Prozent sind über den Zustand der heimischen Demokratie geteilter Meinung. „Die Politverdrossenheit junger Menschen ist ein Warnruf an die Politik, sich auf eine neue Diskussionskultur zu besinnen und die Sorgen junger Menschen ernst zu nehmen. Die junge Generation ist bereit, sich an demokratischen Prozessen zu beteiligen, hat jedoch klare Erwartungen an die Politik“, erklärt Schwabl.

Sieben von zehn jungen Menschen beabsichtigen, bei der Nationalratswahl im September 2024 ihre Stimme abzugeben. Ihnen stehen nur elf Prozent gegenüber, die nicht wählen werden. 18 Prozent sind noch unentschlossen.

Rechtsruck: FPÖ führt bei jungen Österreichern

Als attraktivste Partei für Jugendliche und junge Erwachsene schätzen 18 Prozent die FPÖ ein. Dieser Aussage stimmen 23 Prozent der jungen Männer und 13 Prozent der jungen Frauen zu. Neben dem Geschlecht hat auch der Bildungsgrad einen Einfluss: Unter Maturantinnen und Maturanten liegt die Präferenz für die FPÖ nur bei elf Prozent, während sie bei jungen Menschen ohne Maturaabschluss 22 Prozent erreicht. Mit 16 Prozent Zustimmung erreicht die Bier-Partei den zweiten Platz vor der SPÖ (zehn Prozent). Dahinter folgen Die Grünen und NEOS (jeweils acht Prozent), ÖVP (sieben Prozent) und KPÖ (vier Prozent).

Abendessen mit Politikern

Bei der Frage, mit welchem Politiker beziehungsweise welcher Politikerin die jungen Österreicher am liebsten ein gemeinsames Abendessen verbringen würden, blickte der Jugend Trend Monitor 2024 diesmal über die Landesgrenzen. Die beliebtesten Partner für einen gemeinsamen Abend sind Alexander Van der Bellen (19 Prozent), Dominik Wlazny (18 Prozent), Donald Trump und Wladimir Putin sowie Herbert Kickl (jeweils 14 Prozent). Auf den weiteren Plätzen folgen Joe Biden, Karl Nehammer, Olaf Scholz, Werner Kogler, Ursula von der Leyen, Andreas Babler, Heinz-Christian Strache, Beate Meinl-Reisinger und Viktor Orbán. Mehr als ein Drittel der jungen Menschen würde es jedoch bevorzugen, den Abend ohne politischen Tischpartner zu verbringen.

Österreich und die EU

Am meisten fühlen sich die jungen Menschen dem eigenen Bundesland (41 Prozent) verbunden, wobei sich hier ein klares Ost-West-Gefälle zeigt: Die höchsten Zugehörigkeitswerte erzielen Tirol, Kärnten, Oberösterreich und Vorarlberg sowie Salzburg. Ein gutes Drittel fühlt sich Österreich zugehörig, während sich nur zwölf Prozent als Europäerin oder Europäer fühlen.

Mehr als die Hälfte ist der Europäischen Union gegenüber sehr positiv oder positiv eingestellt. Dem Euro als Währung stehen mehr als zwei Drittel wohlwollend gegenüber. Mit zunehmendem Alter und abnehmender Bildung sinkt die Zustimmung zu Union und Euro. Seit der Erhebung im Jahr 2017 haben sich die Beliebtheitswerte jedoch marginal verbessert.

Vier von zehn jungen Österreicherinnen und Österreichern sehen in der Europäischen Union mehr Vor- als Nachteile, wobei diese Einschätzung ebenfalls mit zunehmendem Alter und niedrigerem Bildungsabschluss sinkt. Nur einer von zehn jungen Menschen sieht die Nachteile überwiegen.

Acht von zehn Befragten gehen davon aus, dass Euro und Europäische Union auch in zwei Jahrzehnten noch fortbestehen werden. Bei der EU-Wahl im Juni 2024 beabsichtigen mehr als 60 Prozent den Urnengang, während 27 Prozent noch unentschlossen sind und 13 Prozent keine Stimme abgegeben werden.

Von der Europäischen Union erwarten sich junge Menschen den Ausbau des Gesundheits- und Sozialwesens (45 Prozent), die Förderung von internationalem Frieden (43 Prozent), klare Lösungen in der Migrationspolitik (39 Prozent), Terrorismusbekämpfung (39 Prozent) und Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit (38 Prozent).

Politik und Medien

Knapp die Hälfte der jungen Menschen informiert sich über die Entwicklungen im Super-Wahljahr 2024 in sozialen Medien. Für die 14- bis 19-Jährigen (61 Prozent) haben Instagram, TikTok, Facebook und Co. dabei deutlich mehr Bedeutung als für die 25- bis 29-Jährigen (38 Prozent). Online-Portale etablierter Medienmarken folgen mit 38 Prozent vor Fernsehen (34 Prozent) und Radio (24 Prozent). Zeitungen (17 Prozent), Podcasts (zehn Prozent) und Newsletter (sieben Prozent) spielen eine untergeordnete Rolle in der Informationsbeschaffung. Zwölf Prozent wollen sich gar nicht über die Wahlkämpfe informieren und sind der Gruppe der „News Avoiders“ zuzuordnen.

Fake News als Gefahr für Demokratie, Gesellschaft und Frieden

Sieben von zehn jungen Österreicherinnen und Österreichern sprechen sich für eine Kennzeichnungspflicht für Inhalte aus, die mit Künstlicher Intelligenz erstellt wurden. Zwei Drittel fordern Maßnahmen der globalen Plattformanbieter zur Eindämmung von Fake News und ebenso viele sehen manipulierte Inhalte oder gezielte Falschinformation als große Gefahr für die Gesellschaft beziehungsweise Demokratie. Ebenso wünschen sich die jungen Menschen von der Europäischen Union und österreichischen Bundesregierung Maßnahmen gegen Fake News. „Junge Menschen haben einen kritischen Umgang mit Informationen entwickelt. Sie haben einen klaren Appell an die Politik, insbesondere die globalen Plattformen besser zu regulieren, um Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. Hier besteht aus Sicht der jungen Generation dringender Handlungsbedarf“, so Knechtsberger.

Mehr als die Hälfte ist der Meinung, Fake News zu erkennen. 42 Prozent fühlen sich auch in der Lage, Deep Fakes zu enttarnen. Männer trauen sich beim Entlarven manipulierter Inhalte deutlich mehr zu als Frauen. Knapp zwei Drittel hinterfragen Inhalte oder überprüfen Quellen, wenn sie sich nicht über ihre Echtheit oder journalistische Vertrauenswürdigkeit sicher sind. Zehn Prozent setzen sich nicht mit der Authentizität und dem Wahrheitsgehalt von Informationen auseinander. Ein Viertel erkennt die Gefahr, selbst auf manipulierte Inhalte hineinzufallen, während fast ein Drittel glaubt, dagegen immun zu sein.

Mode: Pragmatische und überlegte Konsumentscheidungen statt Nachhaltigkeit

Durchschnittlich kaufen sich die jungen Österreicherinnen und Österreicher 26,5 Kleidungsstücke und sieben Paar Schuhe pro Jahr, wobei die jungen Frauen etwas mehr Kleidung kaufen (29,2 Kleidungsstücke) als die jungen Männer (23,9). Pro Kleidungsstück werden im Schnitt 41,80 Euro und pro Paar Schuhe 80,70 Euro ausgegeben. Männer (46,40 Euro) greifen für Kleidung etwas tiefer in den Geldbeutel als Frauen (36,90 Euro).

Knapp zwei Drittel kaufen überwiegend in den Filialen internationaler Modeketten. Für etwas mehr als die Hälfte sind die großen Online-Shops die erste Einkaufsadresse. Second-Hand-Läden werden nur von 16 Prozent der Befragten frequentiert und ebenfalls  nur 16 Prozent kaufen online gebrauchte Kleidungsstücke. Kleine Boutiquen oder heimische Schneider suchen nur sieben Prozent der jungen Österreicherinnen und Österreicher auf.

Sechs von zehn jungen Menschen achten beim Kauf von Kleidung auf hohe Qualität und gute Verarbeitung, während für 57 Prozent der günstige Preis entscheidet. Langlebigkeit und Reparierbarkeit ist für knapp die Hälfte der Befragten wichtig und 43 Prozent achten auf natürliche Materialien. Der aktuelle Trend entscheidet nur für 40 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen über den Kauf, wobei dieser Wert mit zunehmendem Alter sogar noch abnimmt. Nachhaltigkeit ist nur 34 Prozent der Befragten wichtig und die Marke für lediglich 29 Prozent.

„Im Modekonsum zeigt sich, dass Nachhaltigkeit kein dominierendes Thema für die junge Gesellschaft ist. Konsumentscheidungen werden sehr bewusst und pragmatisch getroffen. Preis-Leistung ist Trumpf“, so Schwabl.

Etwas mehr als die Hälfte der Stücke in ihren Kleiderschränken wird von der jungen Generation regelmäßig getragen. Zehn Prozent wurden seit dem Kauf noch nie ausgeführt und 36 Prozent der Mode wird kaum oder gar nicht getragen. Kleidungsstücke werden durchschnittlich rund sechs Jahre und Schuhe rund fünf Jahre getragen. Sie werden vor allem dann aussortiert, wenn sie kaputt sind (73 Prozent), die Größe nicht mehr passt (64 Prozent) oder sie nicht mehr gefallen (42 Prozent). Sechs von zehn jungen Menschen spenden nicht mehr benötigte Kleidung und knapp die Hälfte verschenkt sie. Ein gutes Drittel verkauft alte Kleidungsstücke, während zwei von zehn jungen Menschen sie auch im normalen Hausmüll entsorgt.

Fast Fashion erachten knapp zwei Drittel der jungen Österreicherinnen und Österreicher als sehr oder eher problematisch, wobei der Zugang mit steigendem Bildungsniveau kritischer wird. 73 Prozent kritisieren, dass die Menschen zu viel Kleidung kaufen, und knapp 60 Prozent fordern Gesetze gegen Fast Fashion und deren negative Auswirkungen. Vier von zehn Befragten entscheiden sich aufgrund ihrer finanziellen Mittel für Fast Fashion. 61 Prozent tragen Kleidung so lange, bis sie kaputt geht oder abgenutzt ist, und 38 Prozent kaufen nur wirklich benötigte Kleidungsstücke ein. Ein knappes Drittel der jungen Menschen in Österreich macht sich nichts aus aktuellen Trends und mehr als ein Viertel tauscht Kleidung mit Freunden und Familie, um abwechslungsreich gestylt zu sein.

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