Die Zukunft der Markt- und Meinungsforschung

Eine Ära des Wandels und der Innovation

Mit der Tinte, die für Prognosen und Zukunftstrends bereits verschüttet wurde, könnte man einen ganzen See füllen und die Entstehungsgeschichte ist meist ident. In der Regel „plaudert“ ein Branchenprimus aus dem „Nähkästchen“ und die Mitbewerber*innen nicken wohlwollend ab oder behaupten erbost das Gegenteil. Diese tradierte Mechanik wollten wir erstmalig aufbrechen und baten stattdessen ChatGPT um eine Einschätzung, wer oder was in der Markt- und Meinungsforschung künftig den Ton angeben wird. Einen Kommentar zum Trend Forecast der KI ließen wir uns aber natürlich nicht nehmen.

Zehn Zukunftstrends, die die Markt- und Meinungsforschungsbranche in den nächsten Jahren voraussichtlich prägen werden – generiert durch ChatGPT4, kommentiert von Cornelia Eck (Geschäftsführerin Marketagent Schweiz) und Thomas Schwabl (Gründer von Marketagent).

  1. Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen: KI und maschinelles Lernen werden zunehmend eingesetzt, um große Datenmengen effizienter zu analysieren. Dies ermöglicht tiefere Einblicke in Verbraucherverhalten und Meinungstrends.

Thomas Schwabl: Mit zunehmendem Umfang und Komplexität der Daten werden KI-Tools ihre Vorzüge eindrucksvoll ausspielen. Dies darf aber keinesfalls als Bedrohung, sondern ausschließlich als Chance wahrgenommen werden. Es werden sich für die Researcher Analyse-Möglichkeiten ergeben, die bis dato kaum vorstellbar waren.

Cornelia Eck: KI wird die Marktforschung zunehmend verändern. Dabei ist sie meines Erachtens Chance und Risiko zugleich. Denn auch die Analysen, die mit Hilfe von bzw. durch KI erstellt werden, müssen den wissenschaftlichen Gütekriterien Validität (die Messung misst das, was sie messen soll), Objektivität (Unabhängigkeit) und Reliabilität (Wiederholbarkeit) standhalten. Dafür müssen die KI-basierten Analysen für Marktforscher*innen und Kund*innen nachvollziehbar bleiben. Wenn das erfüllt ist, eröffnen sich durch KI neue Marktforschungsmöglichkeiten.

 

  1. Automatisierung von Forschungsprozessen: Die Automatisierung von Datenerhebung und -analyse wird weiter zunehmen, um Zeit und Kosten zu sparen und gleichzeitig die Genauigkeit der Daten zu erhöhen.

TS: Bereits heute ist dieser scheinbare Widerspruch längst aufgelöst. So kann beispielsweise eine automatisierte Feldsteuerung bis zu 300 Quoten berücksichtigen und ist somit nicht nur schneller und kostengünstiger, sondern auch genauer als eine manuelle Stichprobenschichtung. Insofern wird die Automatisierung immer tiefer in die Research Prozesse eindringen, was wiederum Kapazitäten für Deep Dives freispielt.

 

  1. Integration von Big Data: Die Integration und Analyse von Big Data aus verschiedenen Quellen wie sozialen Medien, Transaktionsdaten und IoT-Geräten wird wichtiger, um umfassende Markt- und Meinungsbilder zu erstellen.

TS: Dass „zu viele Köche den Brei verderben“ wurde längst abgelöst durch „viel hilft viel“. Die Omnipräsenz von Daten ermöglicht neue Blickwinkel und steckt den Marktforscher*innen quasi neue Pfeile in die Köcher. Die Integration von Big Data ist somit eine Spielwiese mit neuen Möglichkeiten, die täglich ein Stückchen größer wird.

CE: Vor diesem Hintergrund wird die Vernetzung des Knowhows aus den unterschiedlichen Bereichen immer wichtiger, denn die verschiedenen Datenquellen entfalten erst durch ihre Verknüpfung den wahren Mehrwert.

 

  1. Mobile Marktforschung: Mit der zunehmenden Nutzung von Smartphones wird mobile Marktforschung, einschließlich mobiler Umfragen und App-basierter Datenanalyse, an Bedeutung gewinnen.

TS: Schon in den letzten Jahren war diese Entwicklung klar vorgezeichnet und bereits heute werden knapp zwei Drittel der digitalen Interviews über mobile Endgeräte erhoben. Aus „mobile first“ wird „mobile only“, mit all den Vor- und Nachteilen, die ein kleiner Bildschirm so mit sich bringt.

CE: Hierzu gibt es nichts weiter zu sagen, außer ja, das stimmt.

 

  1. Personalisierte Umfragen und Feedback-Tools: Die Anpassung von Umfragen an individuelle Profile und Präferenzen der Befragten wird zunehmen, um genauere und relevantere Daten zu gewinnen.

TS: Die zunehmende Teilnahme-Müdigkeit befeuert ein Umdenken in der Beziehung zwischen Marktforscher*innen und Umfrage-Teilnehmer*innen und es entstehen neue Erhebungstools, die diesem Umstand Rechnung tragen. Gamification brachte meiner Einschätzung nach nicht den gewünschten Erfolg und so gewinnt der „Segment of One“-Approach mehr und mehr an Bedeutung und die Individualisierungstendenzen ziehen auch immer stärker bei der Markt- und Meinungsforschung ein.

CE: Natürlich sollte man den Umfrageteilnehmer*innen wenn möglich durch gezielte profilbasierte Vorselektion der relevanten Zielgruppe, z.B. Hundebesitzer*innen, und konsequente Filterführung innerhalb der Befragung das Gefühl vermitteln, dass sie an einer Unterhaltung teilnehmen, die thematisch für sie spannend ist. Was mache ich aber mit den Daten, wenn jede Person andere Fragen / Antworten vorgegeben bekommt? Dann habe ich hinterher Einzelbewertungen, die ich nicht kumulieren kann. Was fürs Marketing Sinn macht, funktioniert in der Marktforschung meines Erachtens nicht. Statt die Befragungen zu individualisieren, sollte man sie lieber auf die wirklich relevanten Inhalte fokussieren. Viele Befragungen sind nämlich einfach zu lang und löschen den Befragungsteilnehmer*innen dadurch ab. In der Kürze liegt die Würze und zudem ein wichtiger Schlüssel für die Datenqualität.

 

  1. Erweiterte Realität (AR) und Virtuelle Realität (VR): Diese Technologien werden genutzt, um realistischere und immersivere Umfragen und Produkttests zu ermöglichen.

TS: Je realistischer die Markt- und Meinungsforschung den Proband*innen Produkte und Konzepte zur Bewertung vorlegen kann, desto valider sind die Ergebnisse. Dies gilt, seitdem es solche Tests gibt, und daher werden AR und VR weiter an Bedeutung gewinnen. Dies vor allem in jenen Bereichen, wo die Herstellung von Prototypen und die herkömmlichen Visualisierungsmöglichkeiten an ihre Grenzen stoßen.

CE: Realistische 3-D-Store-Tests, bei denen die Läden vorher gefilmt werden, gibt es bereits. Immersive Umfragen wären cool, aber noch haben die Konsument*innen die nötige technische Infrastruktur dafür nicht standardmäßig zu Hause und wenn ich die Proband*innen erst in ein Test-Studio bringen muss, wird es sehr umständlich bzw. müsste ich dann nicht den Umweg über AR und VR gehen, sondern kann direkt testen.

 

  1. Ethik und Datenschutz: Mit zunehmender Sensibilisierung für Datenschutz werden ethische Überlegungen und der Schutz persönlicher Daten in der Marktforschung immer wichtiger.

TS: Die sinkende Teilnahmebereitschaft hat viele Gründe, die zunehmende Sensibilisierung für Datenschutz steht hier aber in der ersten Reihe. Die Zeiten, in denen achtlos mit Daten umgegangen wurde, sind zum Glück vorbei und die Markt- und Meinungsforschung muss hier klar kommunizieren, was mit den Daten passiert. Google hat sich von "Don't be evil" verabschiedet und wir Forscher müssen es uns auf die Fahnen heften.

CE: Noch wichtiger? Ethik und Datenschutz sind jetzt schon zentral. Jedenfalls für seriöse Markt- und Meinungsforschungsinstitute wie Marketagent. 

 

  1. Echtzeitanalyse und -feedback: Die Fähigkeit, Daten in Echtzeit zu erfassen und zu analysieren, wird es Unternehmen ermöglichen, schnell auf Marktveränderungen und Verbrauchermeinungen zu reagieren.

TS: Der Fußball, die Innovationszyklen, die Mode: alles wird schneller und kurzlebiger und keine Branche kann sich diesem Tempowechsel entziehen. Es werden künftig nicht die großen Fische die kleinen Fische fressen, sondern die schnellen die langsamen. Insofern ist Echtzeit ein großes Thema, welches Marketagent übrigens seit mehr als 20 Jahren lebt, indem wir unsere Kund*innen jede Befragung quasi on the fly mitverfolgen lassen.

CE: Das Tempo in der Marktforschung hat in den letzten Jahren mit der fortschreitenden Etablierung der Online-Forschung massiv zugenommen und wird das auch weiterhin tun. Allerdings steigt mit der Geschwindigkeit auch die Fehlergefahr. Was genau wird gemessen, welche Aussagekraft hat die Datengrundlage und wie / was wird analysiert? Wie bereits weiter vorne festgehalten, müssen KI-basierte Analysen für Marktforscher*innen und Kund*innen nachvollziehbar bleiben. Schnelligkeit allein genügt nicht und darf nicht das Maß aller Dinge sein.

 

  1. Sentimentanalyse und Emotionserkennung: Fortschritte in der Textanalyse und Emotionserkennung ermöglichen es, die Stimmungen und Meinungen der Verbraucher präziser zu erfassen und zu interpretieren.

TS: Die automatisierte Textanalyse nimmt seit ein paar Jahren nach und nach Fahrt auf und die Kodierung von offenen Fragen funktioniert trotz vieler Vorbehalte ganz gut. Hier erwarte ich einen flächendeckenden Einsatz in der nahen Zukunft. Die Emotionserkennung hat meiner Einschätzung nach den Sprung in den Forschungsalltag noch nicht geschafft, aber hier lasse ich mich gerne überraschen.

CE: Auf diesem Gebiet halte ich die Fähigkeiten von KI noch für begrenzt, z.B. wenn es um die Analyse von Texten geht. Gerade in der Schweiz mit den vielen unterschiedlichen Dialekten ist das bisher kaum möglich. Und Ironie, Konnotationen etc. werden ja selbst von Menschen nicht immer richtig erfasst. Aber natürlich werden sich die automatisierten Analysen immer weiter verbessern.

 

  1. Hybride Forschungsansätze: Die Kombination von quantitativen und qualitativen Forschungsmethoden, einschließlich traditioneller und digitaler Ansätze, wird zunehmen, um ein vollständigeres Bild des Marktes zu erhalten.

TS: Ähnlich wie bei den Autos verknüpft ein hybrider Ansatz die Stärken unterschiedlicher Methoden. Die qualitative Forschung erlebt also nicht nur Stand-Alone eine Renaissance, sondern auch als vor- oder nachgeschaltete Erweiterung der quantitativen Forschung. Hybrid im Sinne von Mixed Mode, also z.B. die Kombination von Online- und Telefoninterviews, sehe ich hingegen kritischer, weil dadurch die Effizienz in der Regel auf der Strecke bleibt.

CE: Das wäre in meinen Augen ein inhaltlich und methodisch begrüßenswerter Trend, weil die Kombination von Quali- und Quanti-Studien immer einen Mehrwert generiert, genau wie die Integration unterschiedlicher Datenquellen – Stichwort Big Data. Ich fürchte aufgrund meiner Berufserfahrung aber, dass es sich hierbei eher um Wunschdenken handelt. Budget und Zeit sind im Marktforschungsalltag meist starke Argumente dagegen.

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